Luftqualität: Kommission muss auf besseren Plan für Reduzierung der Ammoniakemissionen in Deutschland drängen

Liebe Freundinnen und Freunde, 

liebe Interessierte, 

mehr als 400.000 Menschen sterben jedes Jahr vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung in Europa, in Deutschland sind es allein mehr als 70.000 pro Jahr. Oder anders ausgedrückt: Mehr als 200 Millionen Lebensjahre gehen jedes Jahr in Europa verloren, allein aufgrund der zu hohen Feinstaubbelastung. Doch auch wenn dies furchtbar ist, gibt es Grund zur Hoffnung: Die EU-Kommission veröffentlichte Ende letzter Woche den zweiten Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität in Europa. Darin beschreibt sie, dass wir diese Zahl in den nächsten zehn Jahren fast halbieren können. Denn Europa hat Gesetze, die uns vor Feinstaub  schützen. Die Richtlinie über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe legt fest, dass alle Mitgliedstaaten die nationalen Emissionen von Feinstaub, Ammoniak und anderen Schadstoffen schrittweise reduzieren müssen. Ammoniak reagiert in der Luft zu gefährlichem Feinstaub. Es ist so verantwortlich für tausende Tote jedes Jahr. Doch die Durchsetzung der Richtlinie ist völlig unzureichend. Deutschland hat seine Ammoniak-Ziele in keinem Jahr seit 2010 erreicht. Jedes Jahr emittieren wir weit mehr Ammoniak als EU-Recht erlaubt – und gefährden damit Millionen Menschen. 

Mehr als 90% aller Ammoniakemissionen stammen aus der Landwirtschaft. Gerade die industrielle Massentierhaltung und Düngung ist Hauptquelle der Ammoniakemissionen in Deutschland. Direkte Konsequenzen für Gesundheit und Ökosysteme sind insbesondere in der nahen Umgebung von großen Tierhaltungsanlagen zu beobachten. Sie betreffen damit also vor allem ländliche Räume.

Und es kommt noch schlimmer: Der zweite Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität in Europa stellt fest, dass Deutschland auch in den nächsten zehn Jahren weiter gegen die Regeln verstoßen wird. Das deutsche nationale Luftreinhalteprogramm ist völlig unzureichend. Deutschland – und 14 weitere Mitgliedstaaten – werden die Ammoniak-Ziele bis 2030 nicht einhalten und so weiter riesige Mengen gefährlichen Feinstaubs produzieren.

Dabei wäre die Verbesserung der Luftqualität in Deutschland und Europa nicht nur ein gewaltiger Gewinn für Lebensqualität und Gesundheit. Auch landwirtschaftliche Nutzpflanzen, forstwirtschaftliche Erträge und Ökosysteme würden profitieren. In jedem von der EU-Kommission untersuchten Szenario übersteigt der wirtschaftliche Nutzen die Kosten von zusätzlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität. Allein die Umsetzung der heute bereits angekündigten (unzureichenden) Maßnahmen bis zum Jahr 2030 wird in der EU einen zusätzlichen Nettogewinn von rund sieben Milliarden Euro pro Jahr mit sich bringen. Würden alle technisch möglichen Maßnahmen umgesetzt, könnte dieser Nettonutzen bis 2030 sogar etwa 21 Milliarden Euro jährlich betragen. Das würde unter anderem mehr Tierschutz, weniger industrielle Massentierhaltung und weniger Düngung bedeuten. 

Bereits im Juni 2020 hatte die EU-Kommission einen Bericht zur Umsetzung der Richtlinie über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe vorgelegt. Dieser kam zu einem ähnlichen Ergebnis und beschrieb die mangelhaften Pläne für 2030. Die Große Koalition wird ihrer Verantwortung nicht gerecht. Sie hat bisher weder die Ammoniakemissionen ausreichend reduziert, noch Programme für die Einhaltung der Ziele bis 2030 vorgelegt. Auch auf europäischer Ebene hat sie sich, zum Beispiel bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, nicht für die nötigen Maßnahmen eingesetzt. 

Es ist jetzt an der Zeit, dass die EU-Kommission überprüft, ob Deutschland und die weiteren Mitgliedstaaten Änderungen vornehmen und bessere Maßnahmen zur Reduzierung von Ammoniak und anderen Schadstoffen beschließen. Andernfalls muss die Kommission schnell Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Denn nur so können die nationalen Regierungen zur Umsetzung der EU-Regeln gezwungen werden. Unsere Gesundheit können wir nicht weiterhin so leichtfertig aufs Spiel setzen. Deshalb werde ich dranbleiben! Damit in Zukunft Deutschland und alle Mitgliedstaaten der EU die Schadstoffe in der Luft auf ein möglichst geringes Niveau reduzieren.

Mit entschlossenen europäischen Grüßen

Sven Giegold

Teile diesen Inhalt: